Die Gründung der Musikgesellschaft Harmonie zu Thierhauptenfiel in eine politisch bewegte Zeit.Vereinsgeschichte 001 In Mitteleuropa war es vor allem die sogenannte Deutsche Frage, die die Gemüter bewegte. Schließlich ging es um die lang ersehnte Einheit Deutschlands und die Frage, wer diesem neuen Deutschland in welcher Form angehören sollte. Nach vielen Verhandlungen und einigen Kriegen fand sich Bayern 1871 in einem von Preußen dominierten Deutschen Kaiserreich wieder, Österreich blieb – was besonders von den katholischen Bayern bedauert wurde – außen vor.

In den Jahren vor der Einigung waren es vor allem gesellschaftliche Bewegungen, die die innerdeutschen Landesgrenzen überwanden. Eine herausragende Rolle nahm dabei eine musikalische Strömung ein: die deutsche Sängerbewegung. Aus allen Teilen des deutschen Sprachraums kamen seit den 1840er Jahren Sänger zu großen Sängerfesten, um dort mit- und füreinander zu singen. Eines der bedeutendsten dieser Feste war 1861 das Sängerfest in Nürnberg, das unter anderem die Gründung des Deutschen Sängerbundes 1862 zur Folge hatte und eine Reihe kleinerer regionaler Sängerfeste nach sich zog. Eine solche Sängerfeier veranstaltete 1862 auch der erst in diesem Jahr gegründete Liederkranz Rain. Ende Juni 1863 lud die Liedertafel Aichach Sängervereine und Sangesfreunde aus der Umgebung ein. Anfang August 1863 fand in Augsburg das erste Schwäbisch-Bayerische Sängerbundesfest mit 42 Vereinen und 1100 Sängern statt.

Von dieser Welle der nationalen Gesangsbegeisterung hatten sich wohl auch einige Thierhauptener anstecken lassen, als sie im August 1863 die Musikgesellschaft „Harmonie“ gründeten. Bereits am 4. August – einen Tag, nachdem das Augsburger Sängerfest geendet hatte – setzten sich in Thierhaupten Georg Koch, Lehrer Georg Kruis, Hieronymus Gisser und Michael Hölzl zusammen, um die Statuten für den neu zu gründenden Verein zu erarbeiten. Vereinsgeschichte 002

Wenige Tage später übersandte die Gemeindeverwaltung Thierhaupten dem Königlichen Amtsgericht Aichach die unterthänig gehorsamste Bitte des sich in Thierhaupten gebildeten Gesang- und Musikvereins […] um Bewilligung des Bestehens desselben. Unter Hinweis auf ordnungspolitische Auflagen genehmigte das Amtsgericht Aichach den Verein und seine Statuten im Oktober 1863. Diese ersten Statuten der Gesellschaft Harmonie zu Thierhaupten geben einen Einblick in das Leben des 1863 gegründeten Vereins. Sein Zweck ist die Erweckung, Vervollkommnung und Pflege der Musik und des Gesanges behufs geselliger Unterhaltung. 

Schon von Anfang an gibt es ordentliche (aktive) und außerordentliche (passive) Mitglieder. Ordentliche Mitglieder sind diejenigen, welche nachweisbar entsprechende, musikalische Vorkenntnisse besitzen, und sich verpflichten, an den Übungen und Produktionen kräftigen und thätigen Antheil zu nehmen. Die passiven Mitglieder haben das Recht, an allen Produktionen und sonstigen Vergnügungen Theil zu nehmen. Nichtmitglieder sind zu Vereinsveranstaltungen wie Konzerten, Bällen usw. nicht zugelassen. Allerdings dürfen weibliche Angehörige und anständige Fremde für einzelne Veranstaltungen eingeführt werden. Vereinsgeschichte 003

Der monatliche Mitgliedsbeitrag beläuft sich zunächst auf 12 Kreuzer, wofür man damals ein Pfund Mehl oder zwei Krautköpfe bekam, die Mass Bier kostete 8 Kreuzer. Wer Mitglied werden will, muss sich einer Ballotage stellen, bei der die Vereinsmitglieder über die Aufnahme abstimmen. Wer die Ordnung stört oder mehrfach unentschuldigt von den Proben fern bleibt, wird aus dem Verein ausgeschlossen. 

Ein vierköpfiger Ausschuss (Vorstand, Musikdirektor, Kassier und Sekretär) repräsentiert die Gesellschaft und hat unter anderem die Aufgabe die Vereins-Unterhaltungen anzuordnen. In den Wintermonaten versammeln sich die Mitglieder alle 14 Tage, im Sommer alle Monate wenigstens einmal im Vereinslokale, um dem Zweck der Gesellschaft zu entsprechen. Alle 2 Monate soll an einem vom Ausschuß festzusetzenden Tage eine Produktion (eine Aufführung) stattfinden. Die Statuten enden mit der Festlegung des Vereinslokals. Sollte es nur mehr zwei aktive Mitglieder geben, wird der Verein aufgelöst, sein Vermögen soll der örtlichen Armenkasse zufallen. 

Während die Musikanten in den 1830/40er Jahren noch überwiegend zu viert aufspielten, war die Kapelle gegen Ende des 19. Jahrhunderts auf das Doppelte angewachsen. Wie die umfangreichen Notenhandschriften des seit 1881 fungierenden musikalischen Leiters Karl Hiesinger zeigen, besaß sie ein umfangreiches Repertoire an bürgerlicher Tanzmusik und zahlreichen Vortragsstücken. Vereinsgeschichte 004

Edmund Hölzl sen. und Edmund Hölzl jun. setzten das erfolgreiche Wirken Hiesingers fort. Nach dem Ersten Weltkrieg wurde zum ersten Mal eine Jugendkapelle ins Leben gerufen, die 1923 mit der Kapelle von Edmund Hölzl fusionierte. Eine zweite Kapelle entstand wenige Jahre später aus dem Katholischen Burschenverein heraus. Sie stand unter Leitung des Ortsgeistlichen GR Franz Xaver Stark, geriet mehrfach mit der NSDAP in Konflikt und trat 1938 schließlich der Altkapelle bei. Nach dem Zweiten Weltkrieg fand sich die Kapelle unter Leitung von Josef Klaus sen., der bereits die Burschenkapelle geleitet hatte, wieder zusammen. 1947 begann er mit der Ausbildung interessierter Jugendlicher. Vier Jahre später übergab Josef Klaus sen. die Leitung der Kapelle an seinen 18-jährigen Sohn. Gleichzeitig beendeten alle älteren Musikanten ihr aktives Musikantendasein, die seit 1947 Ausgebildeten traten nun in deren Fußstapfen.Vereinsgeschichte 005

Als es Mitte der 1950er Jahre zu Meinungsverschiedenheiten unter den Musikanten kam, trennte sich die Musikkapelle. Neben der Kapelle von Josef Klaus jun. existierte für rund zehn Jahre eine zweite Kapelle unter der Leitung von Peter Klostermair. Dem Stil und den Anforderungen der Zeit entsprechend, besetzte man aus beiden Blechmusiken heraus auch Tanzkapellen. Das Blütenfest des Obst- und Gartenbauvereins bot schließlich 1965 den Anlass, mit einer nach Personenzahl und musikalischem Vermögen starken Kapelle aufzuspielen. 1967 legte der Musikverein mit einem eigenen Fest den Grundstein für die Thierhauptener Festwoche, trat im selben Jahr dem Allgäu-Schwäbischen Musikbund bei und initiierte eine neue Jugendkapelle. 

Im darauf folgenden Jahr gab sich die Blaskapelle den Namen „Original D`Lechtaler Musikanten“. Aufgrund ihrer Musikalität, ihres originellen Repertoires und des Bühnentalents einiger Protagonisten avancierte sie bald zu einer der bedeutendsten Festkapellen im weiten Umkreis. 

Um für die anstehenden Aufgaben gerüstet zu sein, erarbeitete der Verein eine neue Satzung, ließ sich ins Vereinsregister eintragen und gründete 1977 eine neue Jugendkapelle, diesmal mit 55 Mitgliedern. Von nun an setzte man die Jugendausbildung kontinuierlich fort und verbesserte peu à peu die Ausbildungsmöglichkeiten. 

Nachdem der Markt Thierhaupten 1983 das ehemalige Benediktinerkloster erworben hatte, konnte der Musikverein im Klosterareal ein eigenes Heim beziehen und 1990 einweihen. Hier konnte man nun den vielfältigen Aspekten und Strömungen örtlicher Blasmusikpflege breiten Raum geben. Vereinsgeschichte 006

Mit Recht stellt sich der Musikverein Thierhaupten in die Tradition der 1863  Musikgesellschaft Harmonie, deren Zweck Erweckung, Vervollkommnung und Pflege der Musik und des Gesanges behufs geselliger Unterhaltung er mit großem Engagement und Erfolg erfüllt.